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len Philosophen immer wieder als das Kernproblem des Philosophierens überhaupt her-
vorgehoben worden ist. Wenn ich unsterblich wäre, wäre es für mich fast gleichgültig,
ob ich jetzt große Wissenslücken hätte, weil die Möglichkeit, diese Ignoranz zu über-
winden, ins Unendliche aufgeschoben werden könnte. Selbst, wenn ich vieles nicht
weiß, belastet mich das nicht, da ich ja unendlich viel Zeit habe, meine Wissenslücken
zu beheben. Die Begrenztheit unseres Wissens ist die schwerwiegendste aller Begrenzt-
heiten und gleichzeitig die Begrenztheit unseres Lebens überhaupt: Wir sind Sterbliche,
die sich mit Mühe im Rätsel der Existenz blind vorantasten müssen. Fundamentalisti-
sche Denkweise ist als Gegengift jeglicher existenziellen Angst geschaffen und gleich-
zeitig Ausdruck unseres großen Bedürfnisses auf eine unbedingte "Rettung" oder "Erlö-
sung". Angesichts dessen nimmt es nicht wunder, dass der Ausweg derjenigen, die mei-
nen, alle fundamentalen Fragen beantworten zu können, und nicht einmal sterben zu
müssen -wie alle Varianten des religiösen Fundamentalismus versichern- solch unge-
heure Nachfolgschaft erzielt. Andere Arten von Fundamentalismus sind nur blasse
Nachahmungen davon. In den Ungewissheiten scheint mir die Urquelle aller funda-
mentalistischen Gesinnung zu liegen. Bemerkenswerterweise ist viel Kulturschaffen
darauf gerichtet, mit der Gewissheit des Sterbenmüssens sich auseinanderzusetzen und
im schlechtesten Fall führt nicht-erfolgreiche Auseinandersetzung zur Verdrängung (vgl.
Borkenau 1991). Anders ausgedrückt, eines sind wir gewiss: wir werden als Individuen
sterben. Hingegen, die Ungewissheit, die uns unbewusst plagt ist: was kommt danach?
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8.- Abschließende Gedanken zum Erlösungsbedürfnis
Das absolute Nichts oder vermeintliche, diverse Arten des Weiterlebens? Also Gewiss-
heit und Ungewissheit berühren sich. Der Tod ist Grenze überhaupt, wo sich eben die
Geister scheiden. Einige meinen, dort dem Ende zu begegnen und andere dem wahren
Anfang. Die psychischen Reaktionen auf diese Einstellung prägen Menschen und Kultu-
ren tief.
8.- Abschließende Gedanken zum Erlösungsbedürfnis
Obwohl ich mit Meyer (1989) übereinstimme, dass der Fundamentalismus klare Merk-
male des Aufstandes gegen die Moderne (und gegen Globalisierung wie Hall 1999 he-
raushebt) aufweist, möchte ich hier zwei andere Aspekte herausstellen: Zum ersten, die
Suche nach existentieller Sicherheit, die als eine geistige Magnetnadel für festgelegte
Wegmarkierungen und Ziele sorgt, und zweitens -bis jetzt in meinem Text kaum er-
wähnt- das Erlösungsbedürfnis, das aus unserer extremen Verwundbarkeit herrührt und
dies trotz technischem Fortschritt, oder manchmal gerade durch diesen bedingt. Das
Erlösungsbedürfnis bildet ein Kernstück jeder Religion, wonach Gott oder Götter uns
letzten Endes aus unserer prekären, leidvollen Existenz und aus unserem angeblich
sündhaften Zustand erlösen müssen. Hier spricht der Katholizismus von Erbsünde, die
Freud als Mythos -mit einem historischen Kern- interpretiert und von Schopenhauer nur
allegorisch verstanden wird. Den Göttern kommt die Technik, sozusagen als heidnische
"Göttin", zu Hilfe, insofern sie voreilig glorifiziert wird, aber nicht selten geradezu lügt
und uns eine nie erreichbare Sicherheit anbietet.100
Bekanntlich ist das Christentum eine ausgeprägt heilsgeschichtliche Religion, die
ihr Fundament auf die Tatsache der Erlösung durch Christus aufbaut. Sie hat hierin ge-
wiss nicht den alleinigen Anspruch unter den unzähligen Religionen, aber ihre Ausprä-
gungen in Bezug auf Verheißung und Erlösung sind vielleicht am stärksten und diffe-
100
Ich brauche hier nicht auf die unzähligen Unfälle -auf Autobahnen, in Zügen, Flugzeugen, im
Haushalt- einzugehen und auf die Impotenz der Medizin angesichts der verstärkt wiederkehrenden, vor
kurzem noch als "ausgerottet" angekündigten Krankheiten, um darauf hinzuweisen, wie schwierig es
uns ist zuzugeben, dass unser Glaube an die Göttin Techné nur unser trügerisches Wunschdenken, die
Sehnsucht nach Heil, Sicherheit und Erlösung wiederspiegelt.
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8.- Abschließende Gedanken zum Erlösungsbedürfnis
renzierter ausgeführt. Die Erlösungstat Christi ist im Christentum nicht nur die endgülti-
ge Verwirklichung des Gottesreiches, sondern der psychologisch treibende Kern in der
Seele seiner Gläubigen. Ihr Erfolg lässt (trotz der Sünden seiner Institutionen) nicht auf
sich warten: Sie rührt die tiefsten Fäden der schutzbedürftigen, um Erlösung flehenden
Menschen.
Christus-Archetypen gibt es in der Geschichte in Überfülle. Nennen wir nur, unter
unzähligen anderen, den Heiligen Anno, von dem es heißt, dass er den Weg ins Paradies
weise und mit Moses als Wegweiser ins Land Kanaan verglichen wird. Da Moses auch
als Christusfigur angesehen wird, ist es nur ein kleiner Schritt zur imitativen Identifika-
tion zwischen Anno und Christus. Übrigens wird das Leben des letzteren auch als eine
Erfüllung der Welt- und Heilsgeschichte dargestellt. Auch: "Karl der Große versteht sich
als neuer David; da David aber als Typus des Erlösers gilt, identifiziert Karl sein Kö-
nigtum mit dem Königtum Christi" (W. Haug, 1987, S. 181).
Ich möchte nun am Ende nicht die bittere und scharfsinnige Bemerkung von Re-
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